2009 war Linz Kulturhauptstadt Europas und erlebte einen kulturellen Aufschwung, der bis heute bemerkbar ist. Ebenfalls vor zehn Jahren kaufte die Stadt Linz die stillgelegte Tabakfabrik von Japan Tobacco und baute sie zum international beachteten Hotspot für Kreativwirtschaft, Start-ups und Digitalisierung um. Linz09 und der Erwerb der Tabakfabrik sind zwei Meilensteine, die nicht zufällig zur selben Zeit passierten und die jüngere Geschichte der Stadt entscheidend prägten. Eine Suche nach Spuren, dem Linz-Effekt und einem kulturellen Revival zehn Jahre nach Linz09.
2009 hat einen Wandel in der Linzer Stadtentwicklung bewirkt. Das Selbstverständnis der Stadt, vor allem in kultureller Hinsicht, hat sich durch Linz09 verändert – das Jahr hat kulturelle und strukturelle Spuren in der oberösterreichischen Landeshauptstadt hinterlassen. Neben der Vernetzung der Kulturszene innerhalb der Stadt durch die engere Zusammenarbeit während des Kulturhauptstadtjahres und der veränderten Wahrnehmung als Kulturstadt – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadtgrenzen – gab es vor allem bauliche Veränderungen, die das Stadtbild langfristig prägen. Das Ars Electronica Center wurde umgebaut, erweitert und ist seither Blickfang am nördlichen Donauufer. Beim Schlossmuseum wurde der neue Südflügel errichtet und der Bau des Musiktheaters an der Blumau feierte Spatenstich.
Die Bereitschaft zum Wandel von der alten Industrie- zur offenen Kulturstadt zeigt sich auch an dem Mut der damaligen Stadtregierung, die Tabakfabrik samt Donauparkstadion zu kaufen. „Die Aufbruchsstimmung und die zukunftsgewandte Denkweise in Linz waren 2009 ein fruchtbarer Boden für die Idee der Tabakfabrik“, meint Tabakfabrik-Direktor Markus Eidenberger. Im Auftrag der Stadt Linz entwickelte JKU-Professor Dr. Robert Bauer mehrere Nutzungskonzepte für das leerstehende Industriedenkmal. Schlussendlich wurde die Tabakfabrik als Stadtentwicklungsprojekt definiert, das sich auf Kreativwirtschaft und später auch auf Digitalisierung spezialisierte. Die Tabakfabrik hat so ihre kulturell-kreative Identität erhalten und stärkt Linz auf dem Weg, sich als „Second City“ zu etablieren. Lokale Innovationskraft sowie kreative und ökonomische Klasse sind Charakteristika der Second Cities, die es überall auf der Welt gibt. Sie existieren neben den großen Primate Cities, in den meisten Fällen die wirtschaftlich bedeutenden Hauptstädte.
Der Linzer Bilbao-Effekt
Wer die nordspanische Hafenstadt Bilbao kennt, tut dies vermutlich wegen eines bestimmten Baus: dem Guggenheim Museum des Architekten Frank Gehry. Das Museum für moderne Kunst, insbesondere seine außergewöhnliche Architektur, verhalf der baskischen Stadt zu einem ökonomischen und kulturellen Aufschwung – bezeichnet als der Bilbao-Effekt.
Im Gegensatz zum Bilbao-Effekt, der eher ein statisches Phänomen charakterisiert, beschreibt der Linz-Effekt, unter anderem geprägt vom Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner, die dynamische Entwicklung der Stadt durch Investitionen in Kunst, Kultur und Architektur. Mit dem Mural Harbor oder dem Höhenrausch sind in Linz Kulturprojekte entstanden, die sich selbst weiterentwickeln und keine stationären Landmarken sind wie eben ein Guggenheim Museum in Bilbao.
Linz 2024 – ein Revival?
In fünf Jahren feiert Anton Bruckner seinen 200. Geburtstag. Der Komponist aus Ansfelden prägte Linz gleichermaßen wie er selbst von der Donaustadt geprägt wurde und an seinem Jubiläum gebührt dem herausragenden Organisten ein besonderes Gedenkjahr.
2024 ist aber nicht nur Bruckner-Jahr, sondern auch wieder Kulturhauptstadt-Jahr in Österreich. Dornbirn, Bad Ischl und St. Pölten sind im Rennen um den Titel. Linz sollte davon profitieren und selbst wieder kulturell an Fahrt aufnehmen – da waren sich die TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion zum Thema „Zurück in die Zukunft. Kultur(haupt)stadt Linz 2024“ im Linzer Schloss, wo es die Sonderausstellung „10 Jahre Linz09“ gibt, einig. Linz muss als ländlich geprägte Stadt, die ereignisorientierte Kultur betreibt, diese Chance für ein Revival des Kultur-Aufschwungs nutzen, denn der Ruf, den sich die Stadt durch Linz09 aufgebaut hat, verbraucht sich. „Man muss weiter in die Kultur investieren“, ist sich unter anderem Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Ars Electronica, sicher. Potential ist für ihn auf alle Fälle gegeben: „Neben den damaligen Playern gibt es auch neue Institutionen, wie das FMR-Festival oder natürlich auch die Tabakfabrik, die zum neuen Aufschwung beitragen können.“