Die Innovationsökologien der Tabakfabrik

Blockpit in der Strada del Start-up | © Tabakfabrik Linz

Dort, wo 75 Jahre lang Rauchwaren von der Rampe kamen, befeuern heute brandaktuelle Themen und zündende Ideen die Produktivität. In der Tabakfabrik Linz sorgen mittlerweile rund 200 Start-ups, Bildungseinrichtungen, Kulturinitiativen, Medienagenturen und Ein-Personen-Unternehmen, in denen insgesamt 1.100 Menschen beschäftigt sind, für kreativen Funkenflug.

Der Tabakfabrik Linz gelingt es, kleine und große Organisationen, lokale und globale Unternehmen zu vereinen und im Rahmen einer einzigartigen Innovationsökologie in Einklang zu bringen. Diese unverwechselbare Diversität unterscheidet die Tabakfabrik Linz von anderen, homogenen Innovations-Hubs. Verglichen mit den Resultaten einer Erhebung aus dem Jahr 2016 konnten die dynamischen Wertschöpfungszyklen in der Tabakfabrik um 30 Prozent gesteigert werden. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie des renommierten Wiener Forschungsinstituts FASresearch. Damit trägt das neu gestaltete Industriejuwel maßgeblich zur Innovationslandschaft der österreichischen Kreativwirtschaft bei.

Pressekonferenz zu den Innovationsökologien der Tabakfabrik Linz mit Christian Gulas (FASresearch), Chris Müller (Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden der Tabakfabrik Linz), Bürgermeister Klaus Luger (Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik Linz) und Andrea Werdenigg (FASresarch, v. li.). Bildcredit: Tabakfabrik Linz

„Die Ansiedlungsliste der Tabakfabrik Linz umfasst aktuell rund 600 Interessierte, von etablierten Unternehmen bis zu kreativen Startups und EPUs, die insgesamt eine Fläche von 135.000 Quadratmetern benötigen würden. Die große Nachfrage bedingt einen klaren Selektionsprozess für potenzielle zukünftige Mieterinnen und Mieter der Tabakfabrik Linz. Durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit objektivierbaren Kriterien und Erfolgsfaktoren ist es möglich, optimale Raum- und Rahmenbedingungen für Kooperation zu bieten und ein Ökosystem zu fördern, das Innovationen beflügelt“, sagt Bürgermeister Klaus Luger, Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik Linz.

„Die Stärkung der Innovationsökologie der Tabakfabrik Linz und der Schaffung von Wertschöpfungszyklen ist das erklärte Ziel der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit FASresearch. Entstanden ist ein Maßnahmenkatalog, der einerseits die gewünschte Vielfalt und Vereinbarkeit der MieterInnen gewährleistet und andererseits eine konkrete Planung der infrastrukturellen Ausstattung des Areals ermöglicht. Gemeinsam mit FASresearch entwickeln wir die Software für die Architektur-Hardware des Areals und gestalten daraus einen produktiven Prototypen. Diese Vorgehensweise gibt es sonst nirgendwo. Die Tabakfabrik ist als Best Practice Beispiel heute Teil der Lehrpläne von Hochschulen, wie etwa der Zeppelin Universität am Bodensee“, so Chris Müller, Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden der Tabakfabrik Linz.

„Die Tabakfabrik ist ein einzigartiger Ort – sie vereint unter ihrem Dach alle Schlüsselrollen, die eine lebendige Innovationsökologie braucht. Wir beobachten die Zunahme von dynamischen Wertschöpfungszyklen besonders in den letzten zwei Jahren und sehen, dass die Zusammensetzung der MieterInnen aus verschiedenen Bereichen eine sehr kreative und produktive Umgebung schafft, die mittlerweile zu einem unverzichtbaren Player der Kreativwirtschaft über Österreich hinaus geworden ist“, sagt Harald Katzmair, Geschäftsführer und Gründer von FASresearch.

Die factory 300 in der Tabakfabrik Linz | © Florian Schürzenbaum

Oberösterreich nach Wien Spitzenreiter

Der Stellenwert von Oberösterreich als Standort der Kreativwirtschaft nahm in den letzten Jahren stark zu. Zuletzt waren 18.585 Personen in kreativwirtschaftlichen Berufen beschäftigt, Oberösterreich ist damit nach Wien Spitzenreiter und liegt über dem Bundesländerdurchschnitt (17.130 Beschäftigte) – Tendenz steigend. Auch die Bruttowertschöpfung lag in Oberösterreich mit 1.095 Millionen Euro über dem Bundesländerdurchschnitt von 1.005 Millionen.[1]

Ingenieursspirit trifft Geist der Kreativbranche

Hand in Hand mit den dynamischen Entwicklungen der Kreativwirtschaft steigt auch das Interesse an der Tabakfabrik Linz. Unter ihrem Dach treffen der Linzer Ingenieursspirit und der Geist der Kreativbranche aufeinander – es sind die beiden Quellen der Innovation, die in der Tabakfabrik vereint werden. Innovationen entstehen grundsätzlich durch die Kombination von neuen mit bereits bestehenden Einheiten innerhalb eines Systems. Aus diesen Verknüpfungen können neue Einflussbereiche hervorgehen und sich bisher unbekannte, anpassungsfähige(re) Handlungsmöglichkeiten ergeben. Man spricht dabei von funktionaler Diversität, die soziale Systeme dynamisch macht. Um diese Diversität zu pflegen und zu erhalten, entwickelte FASresearch eigens für und in enger Zusammenarbeit mit der Tabakfabrik ein wissenschaftlich fundiertes Modell, das sowohl den Status Quo der Zusammensetzung wie auch den Bedarf neuer Fähigkeiten und Geschäftsfelder der Tabakfabrik Linz im Hinblick auf die Ansiedelung von neuen MieterInnen erhebt.

Die zwölf Schlüsselrollen der Innovationsökologie

Jede Innovationsökologie – so wie die Tabakfabrik eine ist – benötigt unterschiedliche Schlüsselrollen, die einander bedingen und zu unterschiedlichen Phasen eines Entwicklungszyklus wichtig sind, damit das System als Ganzes dynamisch bleibt (Abb. 1).

In der Ideenphase sind es die EntdeckerInnen, die durch ihre Neugierde das Unbekannte erforschen wollen. Dann braucht es die Passionierten, die mit wenigen Ressourcen, aber großer Leidenschaft eine Idee verfolgen.

Die Kreativen tüfteln in der Start-Up-Phase an der Umsetzung der Idee bis zum Produkt, und die KämpferInnen treiben das Vorhaben voran.

In der Etablierungs- und Reifephase sind die EntscheiderInnen und EntertainerInnen wichtig, um Stabilität zu gewährleisten und das Produkt zu verbreiten. Von den UnruhestifterInnen wird das Produkt kritisch betrachtet und gefordert.

In der folgenden Krisen- und Restrukturierungsphase sind es die Desillusionierten, denen von den UmsorgerInnen wieder auf die Beine geholfen wird. Jedes Scheitern bringt Neues zum Vorschein – das wird von den VisionärInnen am Ende des Zyklus erkannt. Die MentorInnen teilen ihr Wissen und ihre Erfahrungen und die IdealistInnen fassen wieder Mut und neue Ideen.

Die Studie von FASresearch

Genau diese Schlüsselrollen der Tabakfabrik wurden im Rahmen einer MieterInnenbefragung, die FASresearch im Laufe des Jahres 2018 durchgeführt hat, genauer beleuchtet. Die Ergebnisse der Befragung wurden gemeinsam mit den EntscheidungsträgerInnen der Tabakfabrik im Rahmen eines Action Portfolio Workshops analysiert und in praktische Maßnahmen übersetzt. Für die Besiedelung des Neubau3 wird es im Frühling 2019 noch einen weiteren Workshop geben, der sich den Kriterien der Ansiedlung von neuen MieterInnen widmet.

Das Forum Creative Industries 2018 in der Tabakfabrik Linz | © Jürgen Grünwald

Ergebnisse

Key Finding 1 – Einzigartige Diversität

Die Ergebnisse der MieterInnenbefragung zeigen, dass alle Schlüsselrollen, die eine lebendige Innovationsökologie benötigt, in der Tabakfabrik vertreten sind – ein essentielles Kriterium für die Vitalität eines Ortes, das dem aufmerksamen Community Management zugeschrieben werden kann. Die Anwesenheit der Schlüsselrollen, von kleinen und großen Organisationen, von lokalen und globalen Playern macht die Tabakfabrik zu einem einzigartigen Ort und unterscheidet sie von heterogenen Orten. Nun wird das Potential der Diversität durch Austausch-Formate und Orte der Begegnung weiter gestärkt: Wer sind etwa die KämpferInnen und VisionärInnen konkret? Was ist ihre Perspektive? Wie können sie zusammenarbeiten und Synergieeffekte nutzen?

Der Coworking Space Axis in der Tabakfabrik Linz | © Elisabeth Fehkührer

Key Finding 2 – Dynamische Wertschöpfung

Das Netzwerk der Tabakfabrik Linz bildet ab, welche Organisationen einander als wichtig für die Attraktivität der Tabakfabrik ansehen und wer von welcher Organisation im Hinblick auf die die eigene Arbeit profitiert. In der Mitte sieht man das Herz des Netzwerks: der Co-working Space AXIS, die Digital Media Agentur Netural und das Gründerservice startup 300. Man erkennt, dass die befragten AkteurInnen der Tabakfabrik in Austauschbeziehungen miteinander stehen. Die vertretenen Schlüsselrollen befinden sich in gemeinsamen Wertschöpfungszyklen, in denen ein produktives Miteinander stattfinden kann. Verglichen mit den Ergebnissen der MieterInnenerhebung aus dem Jahr 2016, stellen wir eine Steigerung der dynamischen Wertschöpfungszyklen um 30% fest.

Darüber hinaus wurde die Creative Region als Förderer und Plattform für die Kreativwirtschaft von den MieterInnen ein zentraler Stellenwert für die Tabakfabrik und die eigene Arbeit zugeschrieben und streicht so noch einmal die Wichtigkeit der Kreativbranchen für Linz und Oberösterreich heraus.

Die Eröffnung der Strada del Start-up | © factory300 / Nina Danninger

Key Finding 3 – Erhöhtes Wertschöpfungspotential

Die Dynamik der Wertschöpfungszyklen wird durch die Strada del Start-up, also die Ergänzung von IdealistInnen, EntdeckerInnen und Passionierten, weiter gesteigert. Die Ansiedelung von UmsorgerInnen in Form von Gastronomie, Nahversorgung und gesundheitsbezogenem Angebot im NeuBau3 erhöht die Diversität und erfüllt den Wunsch der MieterInnen, der im Rahmen der Befragung formuliert wurde. Auch die handwerklichen Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung von Ideen und der Entwicklung von Prototypen im Übergang von der Ideen- zur Start-Up Phase in Form der Grand Garage (Eröffnung Februar 2019) tragen maßgeblich zur Erhöhung der Wertschöpfung und Synergieeffekte der Tabakfabrik bei.

Fazit der Studie von FASresearch

Der Tabakfabrik gelingt es, verschiedene Formen der Innovation zu kombinieren und Diversität im Rahmen einer einzigartigen Innovationsökologie in Einklang zu bringen. Seitens des Managements findet stetige Reflexion und Entwicklung statt, was dazu führt, dass die Dynamik der Wertschöpfung zunimmt, indem die Wünsche und Bedürfnisse der MieterInnen umgesetzt werden. Die Tabakfabrik ist in ihrer Einzigartigkeit ein wichtiger Player für die österreichische Kreativwirtschaft und kann durch ihr Tun maßgeblich zu Innovationslandschaft in Österreich beitragen.

[1] Bruttowertschöpfung und Beschäftigte in der Kreativwirtschaft | Datenquelle: Kreativwirtschaftspolitisches Datenblatt 2017 https://www.kreativwirtschaft.at/wp-content/uploads/2018/10/KW_Datenblatt_102018-1.pdf

Zur Blogübersicht