„Meine Rechnung geht jetzt bis 1. Mai“

Bildcredit: Tabakfabrik Linz

Die Widerstandskämpfer der Tabakfabrik Linz

Rudolf Kühberger, Hugo Müller, Heinrich Obermayr, Anton Schmelensky und Josef Teufl – diese fünf Arbeiter und Angestellten der Tabakfabrik Linz waren kommunistische Antifaschisten und wurden von den Nationalsozialisten ermordet bzw. fielen im Kampf gegen diese. Zu ihren Ehren gibt es in der Tabakfabrik eine Gedenktafel, die am zweiten Mai 2002 enthüllt wurde. Die Tabakfabrik war das erste Linzer Unternehmen, das eine derartige Ehrung von im Widerstand gegen das NS-Regime ums Leben gekommenen Betriebsangehörigen vorgenommen hatte. Nun erhielt die Gedenktafel einen neuen prominenten Platz beim Haupteingang zum Bau 1 der Tabakfabrik.

Die Gedenktafel der Widerstandskämpfer der Tabakfabrik Linz | Bildcredit: Tabakfabrik Linz

„Wir alle befinden uns hier in Höchstspannung und jeder malt schon die nahe Zukunft in den rosigsten Farben. Meine Rechnung geht jetzt bis 1. Mai“, schrieb Josef Teufl in einem illegalen, aus dem KZ Mauthausen geschmuggelten Brief an seine Familie vom 30. März 1945. Er wurde in der Nacht von 28. auf 29. April 1945 gemeinsam mit 41 weiteren Antifaschisten in der letzten Vergasungsaktion in Mauthausen getötet.

„Es gab die Möglichkeit, mit Hilfe des Lagerwiderstands im KZ Mauthausen gewisse Botschaften herauszuschmuggeln, das ist zum Beispiel über die Wäscherei gegangen. Natürlich haben die Inhaftierten um ihr Leben gebangt und sich gefragt, wie lange die Befreiung noch dauern wird. Sepp Teufl hat die Annahme getroffen, dass sie bis zum 1. Mai 1945 befreit werden würden und diese Annahme war durchaus berechtigt. Am 30. März stand die rote Armee ja schon an der Staatsgrenze, die Bundeshauptstadt befand sich kurz vor der Befreiung und auch die Amerikaner waren schon überall weit vorgerückt. Berlin fiel einen Monat später. Und da war die Hoffnung natürlich groß, dass man diesen Terror in Mauthausen doch überlebt. Der letzte Brief, der Mauthausen verlassen hat, war voller Zuversicht, dass die Rettung naht und man am Wiederaufbau teilnehmen kann. Leider ist es anders gekommen“, erzählt Harald Grünn, Landesvorsitzender des KZ-Verbands Oberösterreich.

Josef Teufl (links) mit Kollegen in der Linzer Tabakfabrik | Bildcredit: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

Insgesamt konnte Josef Teufl fünf Briefe aus dem KZ Mauthausen an seine Familie schreiben. Die Briefe waren trotz der grauenvollen Bedingungen im KZ voller Optimismus, er versuchte seine Frau und Kinder zu trösten und zu ermutigen.

Josef Teufl engagierte sich auch im KZ dafür, eine Organisation aufzubauen und Leute für den Widerstand zu gewinnen. Ein Ausbruchversuch scheiterte jedoch im April 1945.

„Die Aufgaben des Lagerwiderstands waren auf der einen Seite Aufklärung, über die Lagerschreiber – was hat die SS vor, was sind die Pläne und wie kann man diese verhindern oder behindern. Auf der anderen Seite ging es darum, Lebensmittel zu organisieren, damit man diejenigen, die es am dringendsten benötigt haben, retten konnte. Oder man hat bestimmte Leute, die besonders gefährdet waren, verschwinden lassen, indem man ihnen die Namen von Verstorbenen gab. Der Lagerwiderstand hat eine ganze Reihe an solidarischen Maßnahmen gesetzt. Und natürlich hat man sich auch Waffen beschafft“, sagt Harald Grünn.

Josef Teufl | Bildcredit: KZ-Verband OÖ

Vor der Internierung im KZ Mauthausen war Josef Teufl gemeinsam mit Rudolf Kühberger, Heinrich Obermayr und Anton Schmelensky Teil einer von der Gestapo als „Welser Gruppe“ bezeichneten Widerstandsorganisation, die in ganz Oberösterreich aktiv war. Zusätzlich zu den KommunistInnen, die eine führende Rolle innehatten, umfasste die Gruppierung Menschen unterschiedlicher politischer Gesinnung.

Im Jahr 1944 wurde die Welser Gruppe schließlich durch einen Spitzel aufgedeckt, eine Verhaftungswelle war die Folge. Mehr als 40 Prozent der gefassten Männer und Frauen dieser Organisation starben bei den Verhören der Gestapo, bei Folterungen in den Konzentrationslagern, bei Erschießungen, in der Gaskammer oder bei US-Bombenangriffen auf Linz, so Harald Grünn:

„Als Welser Gruppe bezeichnete die Gestapo die illegale Landesgruppe der KPÖ Oberösterreich. Die Organisation wurde so benannt, weil ihre Zentrale in Wels verortet war. Da gibt es auch noch ein gezeichnetes Gestapo-Diagramm. Die Gestapo war natürlich sehr eifrig, hat breite Verbindungslinien gezogen und die Widerstandsgruppe schlussendlich mit einem Schlag zerstört.“

Diejenigen der Welser Gruppe, die sämtliche Torturen und Qualen bis knapp vor Kriegsende in Mauthausen überlebten, wurden auf direkten Befehl des Nazi-Gauleiters Eigruber in der letzten Vergasungsaktion in Mauthausen, einen Tag nach der Proklamation der Unabhängigkeitserklärung und Regierungsbildung vom 27. April 1945 in Wien, ermordet, als die baldige Ankunft der Alliierten selbst für die fanatischsten Nationalsozialisten ablesbar war.

„Das war wirklich die letzte Vergasungsaktion, anschließend wurde die Gaskammer in Mauthausen abgebaut, weil die Nazis – wie auch in anderen Lagern – geglaubt haben, diese Beweismittel vernichten zu können. Das ist natürlich nicht gelungen, weil die Überlebenden genug Berichte gesammelt haben, das Material war da“, sagt Harald Grünn.

Besonders perfid ist die Tatsache, dass August Eigruber für Josef Teufl kein Unbekannter war. Während der Zeit des Austrofaschismus war der Nazi-Gauleiter einmal sein Zellengenosse, so Harald Grünn:

„Der Zusammenhang war, dass Teufl und Eigruber gemeinsam im Austrofaschismus inhaftiert waren, der eine als Kommunist, der andere als Nazi. Da hat es also gewisse Kontakte gegeben, man kannte einander. Aber natürlich hat Eigruber die Mordmaschine bis zum Schluss aufrechterhalten. Also die Nazis haben wirklich versucht, die Todeslisten noch abzuarbeiten, als das Ende in greifbare Nähe rückte.“

Hugo Müller Herbst 1937 | Bildcredit: KZ-Verband OÖ

Während Rudolf Kühberger, Heinrich Obermayr, Anton Schmelensky und Josef Teufl innerhalb des NS-Regimes bis zum Schluss Widerstand leisteten, wirkte Hugo Müller als Partisanenkämpfer von außen an der Befreiung seiner Heimat mit. Der Neffe von Richard Bernaschek war als Hilfsarbeiter in der Linzer Tabakfabrik tätig. Er wurde wegen der Teilnahme an den Februarkämpfen 1934 verhaftet, emigrierte über Tschechien in die Sowjetunion und wurde deshalb von den österreichischen Behörden ausgebürgert. Von 1936 bis 1939 kämpfte Müller in den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik. 1939 ging er wieder in die Sowjetunion zurück.

„Im Sommer 1944 wurde er mit anderen Österreichern im befreiten slowenischen Gebiet mit dem Fallschirm abgesetzt, um eine Partisaneneinheit aufzubauen und bewaffnet für Österreich zu kämpfen. Nach dem Absprung in Slowenien sind sie mit einer größeren Partisanengruppe auf südsteirisches Gebiet vorgestoßen und in der Nähe von Deutschlandsberg in ein schweres Gefecht verwickelt worden, wo sie gegen die SS kämpfen mussten. Leider wurden sie zurückgedrängt, Hugo Müller hat den Rückzug gedeckt und wurde vor Ort getötet“, erzählt Harald Grünn.

Rudolf Kühberger, Hugo Müller, Heinrich Obermayr, Anton Schmelensky und Josef Teufl – die fünf Arbeiter und Angestellten der Tabakfabrik haben unfassbaren Mut bewiesen und im Kampf für ein freies, demokratisches Österreich ihr Leben gelassen. Die Tabakfabrik Linz wird sie niemals vergessen.

 

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