Vom unbelichteten Tabakmagazin zum funkelnden Workspace
Das Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs „Magazin 2+“ der Tabakfabrik Linz
Die Entscheidung im Architekturwettbewerb zur Fassadengestaltung des Magazin 2 der Tabakfabrik Linz ist einstimmig gefallen. Das Siegerprojekt des niederösterreichischen Architekturbüros „kaltenbacher ARCHITEKTUR“ stattet das nahezu fensterlose historische Magazingebäude mit einem Kleid aus tausenden Glasbausteinen aus. Damit wird ein zentrales Gestaltungsprinzip der Tabakfabrik wiederbelebt und die Formensprache von Stararchitekt Peter Behrens in das 21. Jahrhundert überführt.
Bis Mitte des Jahres 2021 verwandelt sich das Magazin 2 der Tabakfabrik Linz in einen Glaspalast der Kreativität, der auf einer Bruttofläche von rund 8.000 Quadratmetern und sieben Geschossen ca. 300 Arbeitsplätze beherbergen wird. Der Baubeginn des Projekts ist 2020 geplant.
Die Kosten des Projekts entsprechen den Wettbewerbsvorgaben und belaufen sich auf rund 9,5 Millionen Euro – je nach Ausbaustandard, den die künftigen MieterInnen wünschen.
„Das Projekt schlägt eine Fassade aus Glasbausteinen mit integrierten Schwenkflügeln aus Isolierverglasungen als Zitat zu den historischen Fensterbändern vor. Die Proportion der Fassade und Gliederung des Baukörpers ist dadurch weiterhin in einer analogen Form zum historischen Vorbild gegeben. Gleichzeitig bleibt der industrielle Charakter weiterhin gewahrt und wird mit den technischen Mitteln der Gegenwart eingelöst“, heißt es in der Jurybegründung.
„Die Herausforderung war, eine harmonische Balance aus einer gewissen Ehrfurcht vor diesem Pionierbau von Peter Behrens und einem eigenständigen, wagemutigen Statement zu finden. Die kreative Ausstrahlung und die nachhaltige Ausrichtung der Tabakfabrik haben mich inspiriert, einen Beitrag für ihre weitere dynamische Entwicklung zu leisten“, sagt Oliver Steinbauer, Architekt bei „STEINBAUER architektur+design“ und „kaltenbacher ARCHITEKTUR“.
„Die Neugestaltung des Magazin 2 ist ein weiterer wichtiger Baustein in der Entwicklung der Tabakfabrik Linz. Durch die Glasbausteinfassade erhalten die historischen Magazine auch im rückwärtigen Teil Tageslicht, können als hochwertige Büros oder Ateliers vermietet werden und erfahren eine erhebliche Wertsteigerung. Das Siegerprojekt des Wettbewerbs erhöht damit auch die Attraktivität des Kreativstandorts Linz“, sagt Bürgermeister Klaus Luger, Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik Linz.
„Die Besonderheit des Siegerprojekts liegt in der Wiederbelebung des Glasbausteins als Grundbestandteil der Behrens-Architektur. Es handelt sich um keine reine Blickbeziehung zwischen innen und außen – durch die Neuinterpretation des Glasbausteins ergibt sich ein bezaubernder Innenraum, in dem eine von Lichtspiegelungen und -brechungen geprägte, einzigartige Atmosphäre herrscht. Es ist ein tolles Beispiel für die Integration eines alten Elements, um einen funkelnden neuen Raum der Kreativität zu schaffen“, so Chris Müller, Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden der Tabakfabrik Linz.
„Die Lösung des Wettbewerbssiegers ist eine sehr intelligente und verbindet eine adäquate Antwort auf die Behrens-Architektur mit technischer Finesse und ökonomischem Gespür“, sagt Markus Eidenberger, kaufmännischer Direktor der Tabakfabrik Linz und Geschäftsführer der Immobilien Linz GmbH & Co KG.
Neues Licht im alten Magazin
In den zum Großteil fensterlosen Hallen, in denen einst wertvoller Rohtabak aus dem Orient gelagert wurde, wird künftig Licht die Hauptrolle spielen. Durch die Wahl einer vorgehängten Fassade aus feuerfesten Glasbausteinen wird die Gebäudehülle transparent – eine Reminiszenz an die typischen Fensterbänder der Tabakfabrik, die nicht mit den architektonischen Ansätzen von Peter Behrens konkurriert.
Die gewellte Struktur der Glasbausteine entspricht formal der einst verwendeten Putztechnik – jedoch mit dem großen Vorteil einer maximalen Lichtausbeute bis tief ins Innere des Magazin 2, was eine bestmögliche Verwertbarkeit hochwertiger Mietflächen erlaubt.
Es entsteht eine gleichmäßig mit weichem Licht durchflutete, unverwechselbare Raumatmosphäre. Durch die neue Fassadengestaltung wird das Deckensystem des Gebäudes, bestehend aus quer und längs gerichteten Stahlbetonträgern, auch äußerlich sichtbar.
Während das Erdgeschoss Platz für großzügige Gastronomie- und Geschäftseinheiten bieten soll, beherbergen die oberen Stockwerke lichtdurchflutete Büros, Atelierflächen und Schulungsräumlichkeiten. Pro Ebene entsteht eine vermietbare Einheit von rund 1.000 Quadratmetern, die eine möglichst nutzungsflexible Gestaltung erlaubt.
Hommage an Peter Behrens
Das Ziel des Siegerprojekts ist es, die ausgewogene Balance des einzigartigen Industrieensembles von Peter Behrens nicht zu stören, sondern seiner Geschichte mit einem wagemutigen Fassadenstatement ein neues Kapitel hinzuzufügen.
So spiegelt die wellige Glasoberfläche des neuen Fassadenentwurfs die ursprüngliche Putztechnik, Gliederung und Rhythmik der denkmalgeschützten Architektur wider und versteht sich als Hommage an Peter Behrens und den Stil der „Neuen Sachlichkeit“.
Die schwingbaren Fensterbänder folgen ebenfalls der Formensprache von Peter Behrens, ohne diese nachzubilden, und verkörpern ein klares Statement des neu Geschaffenen.
Der Form- und Materialkanon der neuen Fassade des Magazin 2 folgt den in der Tabakfabrik vorherrschenden Werkstoffen – gestockter Stahlbeton, gebrannter Ziegel, beschichteter Stahl, kellengeformter Putz und lichtdurchlässiger Glasbaustein.
Renaissance des Glasbausteins aus Hightech-Material
Das Siegerprojekt von „kaltenbacher ARCHITEKTUR“ feiert die Renaissance des Glasbausteins. Durch neue Technologien – vor allem im Hinblick auf Sonnenschutz, Wärmeisolation, Reinigung und Energiegewinnung – wird das Gestaltungselement aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts den Anforderungen heutiger Architektur gerecht.
Massive, hochgedämmte Zwei-Kammern-Glasbausteine gewährleisten Wärme- und Feuerwiderstand.
Die Verwendung von Glasplatten mit geringem Emissionsvermögen und druckregulierendem Argongas erlaubt die Umsetzung eines ökologischen Fassadenkonzepts. Die Glasplatten werden innerhalb des Glasbausteins eingefügt, um die Wärmebrücke zu unterbrechen, und mit Argongas gefüllt, um den Wärmedurchgangskoeffizienten zu reduzieren.
Ein ausreichender Sonnenschutz wird durch eine zusätzliche Antireflexbeschichtung sichergestellt – eine Schicht, die Schutz gegen UV-Licht bietet und die Leitung von Hitze im Sommer vermindert.
Um die Wartungskosten möglichst gering zu halten, ist die Oberfläche der Glasbausteine selbstreinigend. Unsichtbare Oberflächenbeschichtungen enthalten hydrophile Eigenschaften, die organischen Schmutz abbauen und Regenwasser abperlen lassen, damit das Glas seine saubere Optik auf Dauer aufrechterhält. Durch den Einsatz von Glasbauphotovoltaiksteinen wäre zusätzlich eine solare Energienutzung möglich.
Gräser, Schilf und Farne – Gestaltung der A-Laska Passage
Die Bewahrung des industriellen Flairs und die Schaffung eines hochwertigen, offenen Stadtraums – diesen Grundsätzen folgt die Gestaltung des Außenraums rund um das Magazin 2 der Tabakfabrik Linz. Die A-Laska Passage zwischen Magazin 1 und Magazin 2 erhält einen Bodenbelag aus Sichtbetonplatten, in deren Zwischenräumen Gräser, Schilf und Farne gepflanzt werden. Über die neuen Versorgungskerne des Magazin 2 ist auch die Dachterrasse Bel Étage angebunden und bietet eine spektakuläre Open-Air-Bühne für rund 500 Personen.
Über die gesamte Länge der Vorladerampe wird ein freistehendes, sandgestrahltes Sichtbetonelement gesetzt, das nicht nur als barrierefreier Eingangsbereich dient, sondern auch Sitzstufen bildet, die zum Verweilen einladen und für Veranstaltungen genutzt werden können.
Über den Architekten
Architekt Oliver Steinbauer arbeitet mit „STEINBAUER architektur+design“ und „kaltenbacher ARCHITEKTUR“ an Projekten unterschiedlichsten Maßstabs. Zuletzt wurde das mit dem niederösterreichischen Baupreis ausgezeichnete Betriebsrestaurant „Franz“ realisiert und das in ein verkohltes Lärchenkleid gehüllte Wohnhaus „AVOS“ am südlichen Rand der Thermenregion fertiggestellt. Im Bau befindet sich derzeit ein zur Hilton-Gruppe zählendes Hotel in der Wiener Neustädter Innenstadt. Eine Leidenschaft des Architekten sind Wettbewerbe, auch wenn sie nicht immer gewonnen werden: Zuletzt errang Steinbauer den 2. Platz beim Wettbewerb für den österreichischen Pavillon bei der EXPO 2020 in Dubai – die Einreichung war ein Entwurf für eine 2.000 Quadratmeter große Installation aus lose verlegten und verspannten Wasserstrichziegeln.
Facts & Figures zum Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs „Magazin 2+“
Architekturbüro: „kaltenbacher ARCHITEKTUR“
Größe: rd. 8.000 Quadratmeter Bruttofläche
Arbeitsplätze: ca. 300
Fertigstellung: Mitte 2021
Projektkosten: rd. 9,5 Millionen Euro – je nach Ausbaustandard, den die künftigen MieterInnen wünschen