Die verspielte Fabrik

Bildcredit: Tabakfabrik Linz

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Tabakfabrik Linz setzt neuen Schwerpunkt in der Games Industry

Mit einem in Europa einzigartigen Archiv zur Videospielgeschichte, regelmäßigen Sonderausstellungen zu Games und Games Culture, Messen und Events für die Gamer-Community, Vernetzungs- und Ausbildungsangeboten sowie der im wahrsten Sinne des Wortes verspielten Ausstattung der Strada del Start-up und anderer Räumlichkeiten setzt die Tabakfabrik Linz einen neuen Schwerpunkt im Bereich der Computerspielindustrie, der Kompetenzen schaffen, den Kreativstandort stärken und innovative Unternehmen anziehen soll.

Die Tabakfabrik Linz als Hub für die Kreativwirtschaft, Zentrum für Start-ups und Magnet für Unternehmen, die technologische Innovationen anstreben, ist nicht nur ein attraktiver Standort für kleine Independent Studios aus der Computerspielindustrie, sie bietet dank ihrer einzigartigen Ökologie auch die Möglichkeit, mit den Technologien und dem Know-how aus dem Bereich der interaktiven Medien neue Produkte, Dienstleistungen und Lösungen zu schaffen.

„Es liegt auf der Hand, dass Linz als führender Wirtschafts- und Technologiestandort sowie als internationales Kompetenzzentrum für Medienkunst und als UNESCO City of Media Arts auch den Wachstumsmarkt Computerspiele im Visier hat. Umso mehr freut es mich, dass die Tabakfabrik innerhalb ihrer Innovationsökologie ein besonderes Augenmerk auf dieses Thema legt und nun auch über ein sensationelles Archiv zur Videospielgeschichte verfügt“, sagt Bürgermeister Klaus Luger, Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik Linz.

 „Die Games Industry in all ihren Facetten – vom historischen Archiv über Veranstaltungen bis hin zur Produktion – abzubilden und dafür eine eigene Ökologie zu etablieren, war seit Beginn meiner Entwicklungsarbeit in der Tabakfabrik ein wichtiges Thema. Dass eine Weltmetropole wie Paris ganz massiv auf die Förderung des Wachstumsmarkts Computerspiele und die vielen damit verbundenen Branchen setzt, bestärkt mich in dieser Schwerpunktsetzung“, sagt Chris Müller, Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden der Tabakfabrik Linz.

Die Entwicklung von Computerspielen erfordert eine sehr breite Basis an Kompetenzen, die für die meisten Industrien von Interesse sind: Software Engineering, Computergrafik, User Interface Design, 3D- und 2D-Asset-Production, Musik, Sounddesign, Storytelling und vieles andere mehr. Die Bildungslandschaft in und um Linz bietet Ausbildungsmöglichkeiten für alle diese Bereiche. Sei es am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich, an der Johannes Kepler Universität, an der Kunstuniversität Linz oder an der Anton Bruckner Privatuniversität“, sagt Jeremiah Diephuis, Professor für Game Design/Media Studies am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich und Vorstand von GameStage – Verein zur Förderung der Computerspielkultur.

Diese Kompetenzen aus den unterschiedlichsten Disziplinen zu verdichten und deren wechselseitigen Austausch zu befeuern, ist logische Kernaufgabe einer Fabrik, die sich der Kollaboration verschrieben hat. Bereits jetzt bieten sich innerhalb des Ökosystems der Tabakfabrik entsprechende Schnittstellen – etwa zum Studium Fashion & Technology der Kunstuniversität Linz, zur Softwareschmiede Catalysts, zum 3D-Druck-Spezialisten Haratech oder zu den Digitalagenturen Ars Electronica Solutions und Netural. Technologische Überlappungen gibt es vor allem in Bezug auf 3D-Anwendungen, sowie im Bereich von Augmented und Virtual Reality. Unternehmen aus der Games Industrie sind im Gegenzug genauso auf Kooperationspartner wie Werbeagenturen oder Filmproducer angewiesen. Als Bindeglied verschiedenster kultureller Genres sind an der Entwicklung von Computerspielen Gamedesigner und Programmierer genauso beteiligt wie Drehbuchautoren, Schauspieler und Komponisten. Games tragen als interaktives, elektronisches und transmediales Medium großes Potenzial für die künstlerische und kreative Verwendung. Die Sammlung, Vernetzung und Verstärkung von Aktivitäten und das Wissen rund um die Produktion von Computerspielen ist nicht zuletzt ein wertvoller Impuls für die Weiterentwicklung von Linz als Stadt der Medienkünste und UNESCO City of Media Arts.

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Zurück in die Zukunft

Der im ständigen Aufbau begriffene Games-Schwerpunkt in der Tabakfabrik Linz manifestiert sich zunächst räumlich an einem eigenen Pixel („Gamespace“) inmitten der einzigartigen Innovationsökologie der Strada del Start-up im Obergeschoß von Bau 1. Dort haben UnternehmerInnen, KünstlerInnen, StudentInnen, SchülerInnen, Kreative und Interessierte die Möglichkeit, sich kompetent mit dem Medium Spiel auseinanderzusetzen. „Ich möchte in der Tabakfabrik Linz ein Zentrum der Praxis und Forschung in den Bereichen interaktive Medienkunst, Art Games und Game Art etablieren“, sagt Andranik Ghalustians, der über Österreichs größte Videospiel-Sammlung mit einem gigantischen Fundus von 40.000 Videospielen, Konsolen und Fernsehgeräten verfügt und damit ein halbes Jahrhundert Computerspielgeschichte – von den Anfängen der Computerspiele in den frühen 1970ern bis zu den aktuellsten Konsolengenerationen – abdeckt. Ein Teil von Ghalustians‘ Sammlung ist bereits jetzt in der Tabakfabrik archiviert, etliche Konsolen wurden und werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Zusätzlich zu einer kuratierten Sammlung an Retrospielen sollen aber auch gegenwärtige Entwicklungen in das neue „Gamespace“ ebenso eingebunden werden, sagt Stefan Schraml, Initiator und Community-Verantwortlicher von GameStage sowie Requirements Engineer beim Individualsoftwarehersteller Catalysts in der Tabakfabrik: „Es gibt bereits viele spielbezogene Aktivitäten in Linz und Umgebung, von Brettspielvereinen über eigene E-Sport-Veranstaltungen und Ausstellungen mit Game Art bis hin zu unseren eigenen Events wie die GameStage Expo in der Tabakfabrik. Wir möchten diese verschiedenen Initiativen miteinander vernetzen und solche Aktivitäten gemeinsam stärker vorantreiben.“

In Zukunft wird die Tabakfabrik wieder verstärkt – wie bereits vor einigen Jahren – Schauplatz von Workshops und regelmäßigen Veranstaltungen der Gamer-Community sein. Als  ideale Location für Großveranstaltungen bietet sich ab dem Jahresende die neue Lösehalle an. Die Tabakfabrik wird aber auch zum Archiv, zur Werkstatt, zum Ausstellungsraum und zum Ort für Bildung und Forschung in diesem Zukunftsfeld: Geplant ist zum Beispiel ein Residency-Programm, bei dem innovative StudentInnen, ForscherInnen oder Games-EntwicklerInnen im inspirierenden Umfeld der Strada del Start-up arbeiten können. So wird 2019 der Regisseur und Urban-Game-Designer sowie Gründer von Play:Vienna und gebürtige Linzer Philipp Ehmann das Alternate-Reality-Game „Stahlstadt“ veranstalten und voraussichtlich als erster Artist in Residence im GameSpace in der Tabakfabrik Linz arbeiten. Ebenfalls ab 2019 wird GameStage als Teil der Plattform „Kultur&Spiel“ für den Themenschwerpunkt „Linz bespielt – Spiel mit Linz“ eine Ausstellung und eigene Stadtteilspiele entwickeln. Die Spieletreffs und andere Veranstaltungen von „Kultur&Spiel“ sollen regelmäßig in der Tabakfabrik stattfinden. Zusätzlich am Radar sind Ausstellungen zur Games History und zur Geschichte von Linz anhand der Spiele der jeweiligen Epoche sowie Flohmärkte, Retro-Repair-Workshops, Vorträge, Stammtische, Spieletreffs, LAN-Partys und Game-Instructor-Workshops für Jugendliche.

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Milliarden-Dollar-Business

Die Schwerpunktsetzung in der Tabakfabrik Linz geschieht auch vor dem Hintergrund eines großen wirtschaftlichen Potenzials, zumal die Computerspielindustrie in den vergangenen Jahrzehnten weltweit stetig gewachsen und längst ein Multi-Milliarden-Dollar-Business ist: Allein in China werden heuer knapp 38 Milliarden US-Dollar mit Games umgesetzt, in den USA sind es mehr als 30 Milliarden US-Dollar. Deutschland als stärkster europäischer Markt folgt weltweit auf Platz fünf mit 4,7 Milliarden US-Dollar, Österreich auf Platz 31 mit immerhin 366 Millionen US-Dollar Umsatz. Die Unternehmen mit den größten Spiel-Umsätzen kommen ebenfalls aus Fernost: Tencent (China) erwirtschaftete 2017 18,12 Milliarden US-Dollar im Games-Bereich, der japanische Sony-Konzern 10,55 Milliarden US-Dollar, dahinter folgen Apple, Microsoft und Activision Blizzard. (Quelle: newzoo.com)

Trotz ungleich kleinerer Dimensionen gibt es auch in Oberösterreich Unternehmen, die auf diesem Markt reüssieren: Rudy Games aus Linz zum Beispiel ist im internationalen Umfeld mit erfolgreichen Innovationen in der Form von Hybridspielen vertreten, also der Kombination aus analogen und digitalen Games. Dazu gibt es einige Firmen, die im Bereich „Mobile Games“ tätig sind, wie etwa Modern Alchemists aus St. Valentin oder Gamua aus Attnang-Puchheim. Auch im Hardwarebereich gibt es in der Nähe von Linz mehrere Unternehmen, wie die Firma HI-TECH in Traun, die maßgeschneiderte Gamer-PCs verkauft, oder TAB Austria, die Automaten für den kommerziellen Unterhaltungsbereich produziert. Ebenfalls zu erwähnen sind inhaltlich etwas breiter aufgestellte Medienagenturen wie etwa art-worx in Wels oder Unternehmen, die sich ganzheitlich den interaktiven Medien gewidmet haben: Dazu zählen natürlich das Ars Electronica Futurelab und Ars Electronica Solutions, aber auch Firmen wie Responsive Spaces mit Sitz in der Tabakfabrik Linz. Nicht vergessen werden sollten außerdem Unternehmen, die zwar keine Spiele produzieren, aber die Expertise aus diesem Bereich suchen. Mit den stetigen Entwicklungen in Augmented und Virtual Reality steigt die Nachfrage kontinuierlich an. Dazu kommt, dass Games-Engines wie Unity und Spieletechnologien für Visualisierungen und Trainingsanwendungen immer mehr auch abseits der Unterhaltungsindustrie zur Anwendung kommen.

Homo ludens

Als passend erweist sich in diesem Bezug das Paradigma vom „Homo ludens“ („spielender Mensch“), wonach der Mensch seine Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt und im Spiel seine individuellen Eigenschaften entwickelt. Im Spielen lernen wir, entwerfen neue Ideen, kommunizieren und entwickeln Lösungsstrategien für komplexe Probleme. Studien zufolge werden in Zukunft immer mehr unserer täglichen Aufgaben Spielelemente enthalten, nicht zuletzt aufgrund der der fortschreitenden Digitalisierung. Und nicht nur das Spielen an sich, sondern auch die Entwicklung von Spielen kann sehr motivierend sein und Teamfähigkeit trainieren. Genau deshalb werden auch Game Jams und Playsessions zum Fixpunkt in der Tabakfabrik werden.

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Über GameStage

GameStage – Verein zur Förderung der Computerspielkultur vermittelt die Vielfalt des Mediums Computerspiel und treibt die Vernetzung von Spieleinteressierten und -schaffenden in Linz und Österreich voran. Spiele als kulturelles und soziales Phänomen sollen von Vorurteilen befreit, Erfahrungen und Ideen ausgetauscht werden.  Aus einer Linzer StarCraft-Spielergemeinschaft bildete sich 2011 die Community GameCraft. Es folgten Veranstaltungen in der Kapu, im KunstRaum Goethestraße und in der Tabakfabrik Linz. Gezeigt und gespielt wurden Games zu verschiedenen Themenschwerpunkten. Gemeinsam mit Radiated Pixel, Jeremiah Diephuis, Andranik Ghalustians und dem Ars Electronica Center wurde dann 2013 die erste GameStage@AEC veranstaltet. Nach positiven Rückmeldungen wurde der Verein GameStage gegründet und es folgten weitere Events, bevor schließlich 2014 in der Tabakfabrik die erste dreitätige GameStage Expo stattfand. Seither ist GameStage als Veranstalter regelmäßig im Ars Electronica Center und der Tabakfabrik vertreten, aber auch als Gast auf anderen Events, wie etwa der NyanCon. Zwei Mal im Monat veranstaltet die GameStage außerdem gemütliche Spielabende für das gemeinsame Zocken im Volkshaus Auwiesen und im DH5 in der Herrengasse, zu denen jede/r herzlich eingeladen ist.

Text: Christoph Weiermair

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