Eine der ersten Mieter in der Tabakfabrik war die Creative Region, eine von der Stadt Linz und dem Land Oberösterreich getragenen Initiative zur Förderung der Kreativwirtschaft. Sie haben im Oktober begonnen, ihre Räume im Verwaltungstrakt aufzubauen und starten am 01. März ihren offiziellen Bürobetrieb. Ein guter Anlass, um mit dem Geschäftsführer Patrick Bartos über ihre Pläne zu sprechen.
Thomas Diesenreiter: Hallo Patrick, erzähl mir bitte, wer du bist und was du bisher gemacht hast.
Patrick Bartos: Ich wurde 1972 in Graz geboren, wo ich dann Jus studiert habe. Dabei ist mir aber immer mehr aufgefallen, dass ich dafür keine Leidenschaft entwickeln kann, für den Kulturbereich aber schon. Ich habe während des Studiums in einer Galerie gearbeitet, ich habe auch eine eigene Band gegründet und diese gemanagt. Nach Abschluss des Studiums hab ich daher beschlossen, in Salzburg am ICCM Kulturmanagement zu studieren. Dort haben sich dann die ersten Kontakte nach Linz ergeben. Ich war natürlich auch schon vorher in Linz, in den 1980ern zur Klangwolke zum Beispiel, und ich weiß noch, mein erster Eindruck von Linz war, dass die Stadt mehr Weite und mehr Offenheit vermittelt als Graz. Dass der Unterschied zwischen den beiden Städten ist: Graz ist eine große Kleinstadt und Linz ist kleine Großstadt.
Das ICCM hat mit der JKU kooperiert, so hatte ich die Möglichkeit in Linz bei Ingo Mörth zu dissertieren. Zugleich habe ich begonnen, in Wien beim Verlag Ahead-Media zu arbeiten. Ahead Media hat sich schon in den 90ern mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, einer der Pioniere. Die haben damals die Szene vorgestellt und begleitet, als der Begriff „Kreativwirtschaft“ in dieser Form noch gar nicht existierte. Ich war dann 1997 in London bei einem Kreativwirtschaftskongress, wo der Begriff „Creative Industries“ quasi erst geprägt wurde. Denn damals hat man in Großbritannien gemerkt, dass die Kreativwirtschaft ein größeres Volumen als die Auto- oder die Stahlindustrie hat.
2002 hatte ich ein Internship im Direktorium des New Yorker Guggenheim Museum. Dort habe ich besonders die Offenheit der Menschen geschätzt, man fühlt sich sehr schnell als New Yorker und wird darin auch noch bestärkt. Eine sehr durchlässige Kultur, das hat mich am meisten beeindruckt. Ich habe mir sehr viele Managementskills von dort mitgenommen.
Ich war dann noch zwei Jahre in London, um weitere internationale Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu den kreativen Communities aufzubauen. Zuerst habe ich im Institute of Contemporary Art gearbeitet, eines der Zentren der Londoner Kreativszene. Ich hatte dort ständig mit Menschen aus der ganzen Welt zu tun, von japanischen KünstlerInnen bis zu australischen MusikerInnen. Danach hab ich bei der Londoner AEA Consulting als Research Consultant gearbeitet, ein Unternehmen, das sich auf die Beratung von Kulturinstitutionen spezialisiert hat. Ich habe dort in Brick Lane in East London die Entwicklung eines Stadtteils miterlebt, bei der man auf kulturelle Pioniernutzung gesetzt hat. Das Areal rund um eine alte Brauerei hat sich so binnen kürzester Zeit verändert, ist so zusagen aufgeblüht. Da sehe ich einiges an Parallelen zur Tabakfabrik.
2004 habe ich einen Anruf aus Wien bekommen, ob ich nicht im MAK arbeiten möchte, ich war dort für Spezialprojekte zuständig, die aus den üblichen Rahmen fallen. Nach der Arbeit im MAK habe ich, dann wieder als Consultant, die Kulturtourismus-Organisation Creative Austria mitaufgebaut, die sich auf kontemporäre Kultur und Kreativität in Österreich spezialisiert. Wir haben für Creative Austria eine Guerilla-Marketing Strategie entwickelt, die dann erfolgreich eingesetzt wurde.
Danach war ich viel in Deutschland, im Ruhrgebiet. Dort habe ich bei der Bewerbung als Kulturhauptstadt geholfen, und habe nach der Zusage an der Dachmarkenentwicklung gearbeitet. Wir haben sogar den Preis „Kulturmarke 2010“ gewonnen! Und dann habe ich im Team am Kulturentwicklungsplan des Ruhrgebiets für die Zeit nach der Kulturhauptstadt mitgearbeitet. Dort haben wir dann ebenfalls einen Fokus auf die Kreativwirtschaft als Entwicklungsmotor gelegt.
2011 habe ich in Spanien im Baskenland an der Universidad Deusto gearbeitet, wo ich in die Bewerbung von San Sebastian als Kulturhauptstadt involviert war, bis ich den Anruf aus Linz bekommen habe, dass man sich für mich als Geschäftsführer der Creative Region entschieden hat. Ich habe sofort meine Zelte abgebrochen und mich auf die neue Herausforderung vorbereitet. Ich bin der Auswahlkommission sehr dankbar. Und besonders auch dem Aufsichtsrat: wir hatten von Beginn an ein konstruktives Miteinander. Es wird da gleichermaßen effizient wie lösungsorientiert gearbeitet.
TD: Was sind deine Aufgabengebiete bei der Creative Region?
PB: Als Geschäftsführer der Creative Region bin ich jetzt für die Positionierung von Linz und Oberösterreich als Kreativwirtschaftsstandort zuständig. Ich kümmere mich sowohl um die Programmgestaltung als auch die kaufmännische Leitung der GmbH. Anfangs ist natürlich vor allem die Strategie- und Programmentwicklung gestanden. Wir haben von Beginn weg schon mit ersten Veranstaltungen auf uns aufmerksam gemacht. Jetzt sind wir, nachdem der Aufbau weitgehend abgeschlossen ist, in der operativen Arbeit.
Ich habe durch meine Arbeit in den vielen verschiedenen Ländern interkulturelle Kompetenzen aufgebaut und fünf Sprachen gelernt. Es ist mir wichtig, dass ich mit den Menschen in ihrer Sprache sprechen kann. Und das heißt auch, dass man mit Künstlern eine andere Sprache sprechen muss, als mit Managern. Mir ist es wichtig, Leute zu vernetzen. Leute zusammenbringen, die sich sonst vielleicht nicht gefunden hätten. Manchmal muss man die Räuberleiter machen, damit andere über ihren Tellerrand hinausblicken können. Und ich denke, dass qualifiziert mich auch für die Arbeit der Creative Region.
Was mir bei der Kreativwirtschaft von Anfang an gefallen hat, war die völlige Schwellenlosigkeit. Kunst kann man entkommen, gerade im Hochkulturbereich gibt es einfach Hürden. Wenn du aber auf die Straße gehst und siehst, dass der eine Lady Gaga am iPod hört und der andere Texta, der Dritte am Mobiltelefon fernsieht, dann merkst du, dass die Produkte der Kreativwirtschaft allgegenwärtig sind. Konzeptionell gute Arbeiten können enorme Verbreitungen finden, egal ob im Medium Musik oder im Medium Computerspiele oder in anderen Formaten. Sie finden meist viel höhere Verbreitung als wenn es jetzt unter „Kunst“ fällt.
TD: Was sieht eure Strategie aus?
PB: Wir haben eine Analyse der Kreativwirtschaft in Linz und Oberösterreich in Auftrag gegeben, anhand derer die Strategie professionell entwickelt wird. Wichtig ist uns jetzt, Kontakte und Netzwerke mit der regionalen Kreativszene auf- und auszubauen. Das heißt auch, dass wir viel herumfahren müssen, besonders natürlich zu den Hotspots wie Hagenberg, Hausruck und so weiter. Wir wollen die regionalen Szenen fördern und sie in ihrer Entwicklung unterstützen.
Seit wir im Oktober unsere Tätigkeiten aufgenommen haben, arbeiten mein Team und ich hochmotiviert und oft auch bis tief in die Nacht daran, neue Konzepte zu entwickeln. Der Einsatz wird sich lohnen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass die oberösterreichische Szene großes Potential hat. Und sehr erfreulich: Wir haben jetzt schon während des Büroumbaus gemerkt, dass es regen Zuspruch und viele Anfragen aus der Kreativszene gibt. Es ist jetzt schon einiges los.
http://www.youtube.com/watch?v=RW-yJ0QkhfE
— Video von der StreetSoccer PechaKucha Night, eine Vernetzungsveranstaltung der Creative Region
Ab Mitte März starten wir mit einem großangelegten Coaching- und Serviceprogramm unter dem Namen „Co-Creative Region“. Wir haben dafür auch unsere Räumlichkeiten adaptiert, damit wir unsere Workshops in den eigenen vier Wänden abhalten können und nicht auf andere, kostspielige Räume ausweichen müssen.
TD: Auch andere Bundesländer fördern gezielt die Kreativwirtschaft. Wo siehst du Unterschiede, wo Gleiches in den Ansätzen und Strategien?
PB: Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze: Entweder fördert man direkt mit Geld, also über Projektförderungen, wie es das beispielsweise departure in Wien macht. Oder man fördert die Szene indirekt über Beratung, Marketing und Coaching. Linz und Oberösterreich sind den zweiteren Weg gegangen. Wir wurden bewusst nicht als Förderagentur gegründet, sondern als Plattform. Ich sehe uns als Informations- und Serviceplattform, als Projektwerkstatt und als Marketinggesellschaft für und mit den Menschen in den kreativen Industrien. Wir sind im Aufbau und der Zielrichtung am ehesten vergleichbar mit der Creative Industries Styria, die sich im Unterschied zu uns allerdings sehr auf das Thema „Design“ festgelegt hat.
TD: Warum seit ihr ausgerechnet in die Tabakfabrik gezogen, wie ist es dazu gekommen?
PB: Ich habe zum ersten Mal 2008 gehört, dass die Stadt das Areal übernehmen möchte. Bei einem Treffen mit ehemaligen Studienkollegen in Linz haben wir über die unglaublichen Möglichkeiten gesprochen, die sich der Stadt da bieten. Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, dass ich zwei Jahre später der erste Mieter sein werde.
Früher war die Tabakfabrik, als abgeschlossene Einheit, nicht in den Köpfen der LinzerInnen präsent. Seit das Areal leer steht, ist die Tabakfabrik aber zur Projektionsfläche für vielfältige Träume und Ansätze geworden, und es war klar, dass die Kreativwirtschaft dort eine wichtige Rolle spielen wird. Daher war es logisch, dass wir uns dort ansiedeln. Wir möchten ein Kraftzentrum in der Entwicklung des Areals werden und eine Andockstation für die kreative Szene sein. Wir wollen aber nicht Inkubator, sondern eher Verstärker sein.
TD: Was erwartest du dir persönlich von der Tabakfabrik? Wohin soll sie sich entwickeln?
PB: Ich erwarte mir, dass in der Tabakfabrik tatsächlich kreativ gearbeitet wird. Dass eine Community entsteht, die sich gegenseitig befruchtet und eine Dynamik entfaltet. Und wir wollen mittendrin sitzen und auch kommunizieren, was die kreativen Menschen und Unternehmen produzieren. Es wird einen vitalen Mix brauchen, nicht nur aus Unternehmen, sondern vor allem auch aus Menschen. Ich würde mir wünschen, dass hier Ideen entwickelt und umgesetzt werden können, die anderswo gar nicht entstehen oder keine Chance haben.
TD: Wo siehst du die größten Herausforderungen bei der Entwicklung des Areals?
PB: Linz ist eine Stadt, wo man die Größe nicht scheut, und genau deswegen bin ich zuversichtlich, dass auch das riesige Areal der Tabakfabrik sich gut entwickeln wird. Wenn man sich die Voest ansieht, dann sieht man, dass Größe in Linz keine Angst verursacht. Die LinzerInnen können mit solchen Maßstäben anscheinend gut umgehen.
Es wird aber auf jeden Fall wichtig, einen Bottom-Up Prozess zu entwickeln, der Bürokratisierung vermeidet. Und es müssen alle einem Strang ziehen, denn es muss allen bewusst werden, dass sie das Areal mitentwickeln. Es ist schön zu sehen, dass sich schon jetzt eine Community zwischen den ansässigen Organisationen gebildet hat, also mit dem Team der Tabakfabrik EntwicklungsgmbH, den KollegInnen von der Ars Electronica Solutions, den TänzerInnen von RedSapata und so weiter.
TD: Letzte Frage: Was hältst du von Linz?
PB: Was mir an Linz so gefällt, ist, dass die Leute sehr lösungsorientiert sind und eine Kultur des Anpackens herrscht. Wenn bei einer Veranstaltung ein Laptop ausfällt, wird nicht gesudert, sondern improvisiert und weitergearbeitet. Außerdem liebe ich den Dialekt, er hat die schönste Melodie im deutschsprachigen Raum.
Und abschließen möchte ich noch sagen: Wir freuen uns schon besonders auf den 1. März. Die Klubkantine der Tabakfabrik wird eröffnet, Franzobel liest und feiert seinen Geburtstag und wir feiern unsere offizielle Büroeröffnung. Jetzt beginnt unsere Zeitrechnung!
TD: Danke für das Gespräch!
Mehr Informationen zur Creative Region findet ihr auf deren Homepage und auf ihrer Facebook Seite.