Mit Responsive Spaces gründete Markus Pargfrieder einen hochspezialisierten Anbieter für digitale Installationen zur Markeninszenierung. Im Interview erzählt „MMeX“ über die Abnabelung von Netural, welche Chancen zur Kollaboration er in der Tabakfabrik sieht und warum er gut schläft.
Tabakfabrik Linz: Markus, Ihr seid eben in Amsterdam mit dem Digital Signage Award in der Kategorie Creative Execution – Brand Advertising and Media ausgezeichnet worden. Herzlichen Glückwunsch dazu. Ihr kommuniziert immer wieder nationale und internationale Auszeichungen, wie wichtig ist Euch diese Anerkennung?
MARKUS PARGFRIEDER: Für uns als junges Unternehmen ist es eine preiswerte Möglichkeit, international sichtbar zu werden und für das gesamte Team ein gutes Feedback. Preise zahlen auch auf das Glaubwürdigkeits-Konto ein. Das ist für uns wichtig, da die Projekte unseren Kunden oft einen Vertrauensvorschuss abverlangen. Und natürlich freut sich auch der jeweilige Kunde über den Preis. Wir möchten auch in Zukunft jedes Jahr mindestens ein Projekt einreichen.
Du warst 18 Jahre bei Netural, jetzt bist du dein eigener Chef. Wie ist das passiert?
Ich war über fünf Jahre verantwortlich für die Unit Multimedia Lab. Das war noch lange bevor es trendy wurde, dass große Agenturen ein Lab haben. Nach und nach wollten wir diese Unit auch wirtschaftlich tragfähig machen, allerdings waren wir in diesem Vorhaben nicht so erfolgreich, wie wir das vorhatten. Wir mussten das Setup ändern, das Ding aus der Netural herauslösen und eigenständig positionieren. Im Zuge der Ausgründung habe ich mich an der neuen Firma beteiligt. Im April 2017 war dann der Start für Responsive Spaces. Wir, damals nur Martin Zeplichal und ich, waren aber weiterhin bei unserer „Mutter“ Netural im Bau 2 in Untermiete.
Was zu wenig an Herauslösung war?
Wir haben gemerkt, dass es zu wenig Synergieeffekte gibt, dass wir uns in unterschiedliche Richtungen fokussieren, aufgrund der Nähe zur Netural manche mögliche Kooperationspartner Berührungsängste hatten. Also war für mich ein Management-Buy-Out Ende 2018 der logische Schritt, mit dem wir uns aber auch räumlich loslösen mussten. Ich musste einfach sehen, wo wir als selbständiges Unternehmen noch Lücken haben. Das reichte von der fehlenden eigenen Küche bis zur Lohnverrechnung. Ich habe zum Teil gar nicht gewusst, wo wir noch nicht eigenständig stehen können. Dafür mussten wir die Nestwärme der Netural verlassen, aber glücklicherweise nicht das Nest der Tabakfabrik.
Euer Nest ist jetzt in der Strada del Startup.
Mich hat es gefreut, dass wir so schnell einen neuen Platz gefunden haben. Aber auf Dauer ist die Strada del Startup natürlich keine Lösung für uns.
Warum?
Wir sind kein Startup. Ich suche keinen Investor. Wir haben kein Produkt, das man skalieren könnte. Und wir sind mit unseren drei Pixel räumlich eigentlich schon über dem Limit. Allerdings haben wir bereits eine Lösung gefunden, den nächsten Entwicklungsschritt innerhalb der Tabakfabrik setzen zu können. Darüber und darauf freuen sich mein Team und ich sehr. Um als international agierendes Studio auch als solches wahrgenommen zu werden, brauchen wir eine eigene Identität, keine Untermiete.
Du hast mit Kraftwerk Living Technologies aus Wels einen 49-Prozent-Gesellschafter bei Responsive Spaces.
Ich wollte nicht Alleineigentümer sein, wollte eine größere und erfahrene Organisation zum Anlehnen. Außerdem ist Kraftwerk LT der ideale strategische Partner. Sie agieren weltweit, sind als Integrator maßgeschneiderter Audio- und Videosysteme hochspezialisiert und inhaltlich sehr nahe an dem dran, was wir machen, ohne sich dabei mit uns zu überschneiden. Darüber hinaus kenne ich den Gründer von Kraftwerk LT, Manfred Meier, noch aus meiner aktiven Zeit als Basketball-Profi und die liegt schon sehr lange hinter mir. Besonders er hat sehr aktives Interesse gezeigt, die RS voranbringen zu wollen und bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Das Team von Kraftwerk hat nunmehr seit einem Jahr dieses Versprechen definitiv eingehalten.
Du warst fast dein ganzes Berufsleben Angestellter. Wie war der Wechsel auf die andere Seite?
Furchtbar – zu Beginn. Ich habe mit meinem Job bei Netural wirklich viel aufgegeben, viel Sicherheit, viel Pouvoir. Ich habe jedes meiner 18 Jahre ehrlich geliebt. Ich wollte am Anfang von Responsive Spaces ja auch Angestellter bleiben, deshalb habe ich nur 25 Prozent der Anteile an der frisch gegründeten GmbH genommen. In Wahrheit war ich aber einfach auch feig. Mit dem Buy-Out konnte ich aber hier das Setup nachbessern. Responsive Spaces im aktuellen Setting mit acht Köpfen bedeutet natürlich sehr viel Verantwortung. Glücklicherweise bin ich echt kein furchtsamer Mensch, aber natürlich war und ist die Selbstständigkeit für mich nach wie vor respekteinflößend. Ich halte dies allerdings für gesund.
Aber mittlerweile fühlst du dich wohl in deiner Rolle?
Ich schlafe hervorragend. Wenn man genug zu tun hat, dann schläft man den Schlaf des Gerechten. Auch deshalb, weil ich ein wirklich hervorragendes Team habe. Alle wissen, auf welches gemeinsame Abenteuer sie sich mit mir eingelassen haben und ziehen voll mit. Wir waren in den ersten beiden Jahren schon leicht positiv. Das Autonomwerden hat uns besonders zu Beginn von 2019 sehr viel Energie genommen, wir konnten dann allerdings den Rest des Jahres wieder recht positiv gestalten. Wir sind jetzt fast drei Jahre alt, wir kommen in den Kindergarten.
Wie habt ihr euch als Team gefunden?
Mit Martin Zeplichal und Daniel Kepplinger habe ich bereits bei Netural zusammengearbeitet, Julian Reil ist im Zuge eines größeren Projektes zu uns gestoßen. Der Rest des Teams hat sich dann peu à peu gefunden. Mir ist es wichtig, dass sich das Team organisch und geduldig weiterentwickelt. Mir sind die Kultur und der Zusammenhalt der RS-Familie sehr wichtig und daher darf man hier nichts übereilen.
Wo soll sich Responsive Spaces hin entwickeln?
Zu größeren Projekten, die durchaus sechs bis neun Monate in Anspruch nehmen, gerne auch länger. Für uns ist aktuell ein Projekt mit einem sechsstelligen Auftragsvolumen ein sehr großes Projekt und die Ausnahme. Dort funktionieren wir allerdings am besten, da unsere besonderen Qualitäten dort wirklich eingesetzt werden können. Wir haben einen klaren Fokus auf umfassende Projekte im Bereich digitaler Inszenierungen auf Messen, in Dauerausstellungen und Markenerlebniswelten. Unternehmen setzen international schon länger auf permanente Markeninszenierung in eigener Architektur. Dieser Trend wird seit geraumer Zeit auch in Österreich spürbar. Den Unternehmen geht es dabei um eine Vielzahl von Zielen, von der Präsentation der Markenbotschaften bis hin zum Employer-Branding. Österreichische Beispiele hierfür sind unter anderen die Swarovski Kristallwelten oder etwas aktueller auch der Flughafen Wien.
Inwieweit habt ihr mit Ars Electronica Solutions einen direkten Mitbewerber in der Tabakfabrik?
Wir sind aus meiner Sicht kein direkter Mitbewerber. Das AES hat einen ganz anderen Hintergrund, eine andere Ausrichtung und andere Stärken. Wir kommen ganz stark aus der b2b-Markenkommunikation, das AES hat einen deutlich künstlerischen Background. Dementsprechend sind jene Projekte, die ich als jeweiligen »good fit« einschätzen würde, recht unterschiedlich.
Wir möchten, dass die Tabakfabrik wie ein kollaborativer Konzern funktioniert. Wo siehst du Anknüpfungspunkte?
Mit der GRAND GARAGE haben wir natürlich irre Möglichkeiten dazubekommen. Sie befähigt uns viele jener Dinge selbst zu realisieren, die unsere Projekte auszeichnen. Damit sind wir auch im internationalen Vergleich ganz vorne. Als Business-Member der ersten Stunde nutzen Teile meines Teams mittlerweile recht intensiv die Möglichkeiten im Lasercutten, 3D-Drucken, Fräsen, Schweißen und so weiter. Mit Netural haben wir natürlich immer noch eine gute und persönliche Beziehung. Wir arbeiten ab und an mit amago im Bereich Bewegtbild zusammen. Wir haben unsere Crew-Shirts bei Vresh bestellt. »Schorni« aus dem Axis macht unsere Webseite. Aber es kann natürlich immer noch mehr Vernetzung sein. Ich denke, da schlummert durchaus noch Potential, für uns, aber auch für andere Teile der TFL-Familie untereinander.
Die Chance zu kollaborieren ist sicherlich da. Dass es vielerorts nicht ausreichend passiert, liegt wohl auch daran, dass bei vielen der Handlungsdruck dafür nicht ausreichend ist. Es gibt oft keinen intrinsischen Vernetzungsdruck, jeder scheint auch sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Dafür habe ich auch vollstes Verständnis. Aber ich kann mich an einem Ort wie der Tabakfabrik dann nicht hinstellen und jammern, dass keine Kollaboration passiert, weil jedem ja grundsätzlich vielen Türen offenstehen würden. Das schlummernde Potential in der Nachbarschaft ist schon besonders. Überall, wo wir bisher offen auf andere zugegangen sind, wurden wir herzlich empfangen und wohlwollend behandelt.
Das Interview führte Christoph Weiermair
Preise und Auszeichnungen
- Digital Signage Award 2020
Kategorie: Creative Execution – Brand Advertising and Media
Projekt »Steel City« (Kunde: Primetals Technologies)
- Canopus Winner – Vega Digital Award 2019
Kategorie: Digital Marketing – Innovative / Experimental
Projekt »Steel City« (Kunde: Primetals Technologies)
- Silber – Austriacus 2019
Kategorie: POS / Messearchitektur
Projekt »Delacon Dandelion« (Kunde: Delacon Biotechnik) - Triumph Winner – GlobalTrend Awards 2019
Kategorie: Digital Marketing – Trade Show Exhibit
Projekt »Steel City« (Kunde: Primetals Technologies) - Winner – German Design Award 2020
Kategorie: Excellent Architecture – Fair and Exhibition
Projekt »Delacon Dandelion« (Kunde: Delacon Biotechnik) - Silber – Annual Multimedia Awards 2020
Kategorie: Installation/Event
Projekt »Steel City« (Kunde: Primetals Technologies)