Er gilt als einer der renommiertesten europäischen Netzwerkanalysten und bezeichnet die Tabakfabrik Linz als „eines der spannendsten und relevantesten Zukunftsprojekte Österreichs“ im Bereich von Stadtentwicklung und Kreativwirtschaft: Harald Katzmair, Gründer und wissenschaftlicher Leiter des internationalen Forschungsinstituts FASresearch mit Sitz in Wien und Brüssel.
In einem Kommentar mit dem Titel „Bauhaus 4.0“ charakterisiert Harald Katzmair, der auch jahrelang in New York und im Silicon Valley gearbeitet hat, die Tabakfabrik Linz als Best Practice Beispiel und analysiert ihr besonderes Potential als neoindustrielle, spartenübergreifende Produktionsstätte für kulturelle und kreative Industrien.
Bauhaus 4.0
Ein Kommentar zur Tabakfabrik Linz von Dr. Harald Katzmair, Leiter FASresearch
Ich halte die Linzer Tabakfabrik zurzeit als eines der spannendsten und relevantesten Zukunftsprojekte, die es in Österreich gibt. Kaum wird hierzulande den radikalen Warnungen von Googles Eric Schmidt mehr Gehör geschenkt, dass nämlich „all jene Unternehmen, die sich über ihr Produkt oder ihre Technologie definieren, sterben werden. Es werden jene überleben, die sich über ihre Ökologie, ihre Plattformen definieren“. Die Linzer Tabakfabrik macht nun genau das, sie ist ein Pionier im Aufbau einer neuen industriellen Ökologie, eines transformativen Experimentier- und Lernfeldes in der es nicht nur um Weiterentwicklung von Wissen und Technologien geht, sondern vor allem um die fundamentale Weiterentwicklung unseres Mind-Sets, der Art und Weise wie wir in einer Industrie 4.0 Welt Innovationsprozesse denken und planen.
Während die digitale Revolution über Europa fegt und die „Deathstar Platforms“ (Bill Johnson von StructureC3) aus dem Silicon Valley immer aggressiver das Projekt der „Exponential Disruption“ (Eric Schmidt) verfolgen, bleiben wir hier in Europa mehr und mehr ratlos zurück. Mechatronik und Maschinenbau sind noch industrielles Herzstück Europas, niemand auf der Welt ist hier besser. Durch Industrie 4.0 wird diese europäische Kernkompetenz allerdings angegriffen. Denn Industrie 4.0 ist kein abgelutschter Marketinggag oder bloß ein anderer Name für die Rationalisierung und Robotisierung der Produktion. Es geht hier um nichts Geringeres als eine Umkehrung der Machtverhältnisse. Das Zusammenwachsen der Material, – Energie-, Logistik,- und Informationsnetzwerke ist nicht neutral – die Informationsnetzwerke möchten alle anderen Netzwerke dominieren. Google möchte keine eigenen Autos bauen, es möchte aber die Software des Autos übernehmen und so die Dominanzverhältnisse zu den Autoherstellern so umkehren, wie es Google mit seinen hunderten Android-Handy Herstellern schon gemacht hat. Google möchte mit fahrenden Autos neuronale Datennetzwerke über die Welt spannen und sein Datenmonopol ausbauen, aber sicher nicht mit industrieller „brick and mortar production“, die im Vergleich zum Datengeschäft lächerliche Renditen abwirft, seine Zeit verschwenden.
Die Transformationen werden in den kommenden Jahren gravierend sein, die Tabakfabrik kann darin eine Art kreativ-industrielle Avantgarde in der Durcharbeitung und Konfrontation mit diesen Veränderungen spielen. Schablonendenken und Opportunismus genügen nicht mehr in dieser neuen Welt. Es benötigt Menschen, die wie das Bauhaus in Dessau zu Beginn des 20.Jahrhunderts die Fähigkeit hatten, absolut auf der Höhe der Zeit zu sein und zugleich alles von Grund auf neu zu denken. Der Vergleich mit dem Bauhaus ist auch hier angebracht. Die Tabakfabrik als ein Bauhaus 4.0., darin sehe ich die Rolle dieses gewagten und für die Zukunft der wirtschaftlichen- und kulturellen Entwicklung weit über Oberösterreich hinaus so wichtigen Vorhabens.