Seit Anfang des Jahres hat der freie Szene Verein RedSapata sein Lager in der Tabakfabrik aufgeschlagen. Grund genug, mit Tanja Brandmayr, einer der InitiatorInnen und generell eine der umtriebigsten Personen im Linzer Kulturbetrieb über RedSapata und die Zukunft der Tabakfabrik zu sprechen:
Thomas Diesenreiter: Hallo Tanja, erkläre doch bitte kurz, wer ihr seid, und was ihr macht.
Tanja Brandmayr: Der Verein RedSapata ist eine Vernetzungsstelle für zeitgenössischen Tanz. Was meint: RedSapata bietet für freie, professionelle Tanzkunstschaffende in erster Linie eine Proberaumstruktur, was enorm wichtig ist, um professionelle Bühnenproduktionen überhaupt auf die Beine stellen zu können. RedSapata ist weiters eine Vernetzungsstruktur, die an Projektteilnahmen, Kooperationen und Vermittlung interessiert ist. Der Verein sieht sich dementsprechend auch als Impulsgeber und möchte außerdem generell die Kunstform Tanz aus dem Linzer Dornröschenschlaf erwecken – um es etwas klischeehaft zu sagen, allerdings ist das ganz klar zeitgenössisch gemeint. Konkret gehört dazu eine ganze Liste von Aktivitäten: Neben dem erwähnten Proberaumbetrieb wird es wieder Möglichkeiten für Profitraining und Workshopprogramm geben, Residencies, eventuell Showings. Und auch eine wichtige Schnittstelle nach draußen: RedSapata wird wieder eine Plattform für Kurse bieten, z.B. Laien können zu Mittag auf einen Yogakurs vorbeikommen oder in Abendkursen von den Kompetenzen der ansässigen lokalen Tanzschaffenden profitieren. Hier wird es, entsprechend der Vielfalt der lokalen Kursanbieterinnen, mit anlaufendem Betrieb wieder eine Vielfalt an Kursen geben können. Entsprechend der grundsätzlichen definitorischen Offenheit des Vereins als „Kunst-, Kultur- und Tanzinitiative“ sehe ich uns auch an den Rändern zu anderen Kunstparten lokalisiert, was sicher nicht für jeden und jede RedSapata-Aktivistin zutrifft, aber doch für einige von uns … fast logischerweise bedeutet das natürlich eine Öffnung zur Performance, die sich ja jede Sparte recht fein hergerichtet hat und die im Bühnenbereich hier schon seit Jahren beinahe was von „Tradition“ hat; aber auch zu Theater- und Textformen, zur Breite des zeitgenössischen Schaffens.
TD: Ihr seid seit Jänner in der Tabakfabrik aktiv, wie ist es dazu gekommen?
TB: RedSapata war bis Ende des Vorjahres am Hauptplatz angesiedelt. Dort hat uns dann „plötzlich“ das Baurechtsamt besucht und dann hat uns unser Vermieter, quasi fast über Nacht, vor die Tür gesetzt oder setzen müssen oder was auch immer: Es wurden derartige bauliche Mängel festgestellt, dass eine Weiterführung des Betriebes dort für uns nicht mehr möglich war. Weil dieser Umstand ganz klar in den Verantwortungsbereich des Vermieters gefallen ist, und ich glaube auch, weil wir uns in den letzten beiden Jahren recht gut als „neuer“ Verein positioniert haben, sind wir auf eine überraschend breite Unterstützung gestoßen, uns in die Tabakfabrik hieven zu wollen. Weil wir doch auch recht spezifische Raumerfordernisse haben, hatten wir zuvor schon immer wieder Mal Gespräche bezüglich Tabakfabrik – mit vielen VerantwortungsträgerInnen und in mehreren Zusammenhängen. Aber wirklich in die Tabakfabrik zu kommen, war zu Beginn alles andere als einfach. Nicht zuletzt deshalb, weil beinahe alles in der Tabakfabrik problematisch ist, war oder zu sein scheint, was eine dauerhafte Nutzung anbelangt. Wir hatten aber gute UnterstützerInnen, denen unser Dank gebührt und die uns nicht zuletzt auch als eine Art „kulturelle Speerspitze“ gesehen haben, oder es wichtig gefunden haben, dass es bei uns mit möglichst wenig Unterbrechung weitergehen kann. … Das alles war ja, auch wenn es fast zeitgleich aussieht, praktisch noch vor dem neuen Zwischennutzungsbeauftragten Chris Müller, der ja auch circa zu dieser Zeit bestellt wurde und nun bestrebt ist, viele Nutzer und Nutzerinnen hereinzuholen. Nun wollen wir, wieder einmal, im Juni mit der Langen Nacht der Bühnen offiziell neu eröffnen – und wenn hinsichtlich Genehmigungen alles klappt, eben hier in der Tabakfabrik.
TD: Seid ihr mit euren Räumlichkeiten zufrieden?
TB: Wir haben hier jetzt eine Halle, und allein dieser Umstand macht uns mal mehr als zufrieden. Abgesehen davon: Für uns war es wichtig, gleich starten zu können – nicht zuletzt wegen der oben erwähnten prekären Lage und trotz aller Probleme, die zweifellos vor Ort in der Tabakfabrik vorhanden waren. Das heißt, wir wollten die Tanzböden und ein paar andere Dinge sofort übersiedeln, um gleich mal zwei Produktionen proben lassen zu können, die demnächst im Posthof laufen werden. Für uns war es auch wichtig, praktisch vor Ort denken zu können, um eine mittel- und langfristige Planung zu machen und deren Ergebnisse möglichst bald wieder starten zu können. Nicht zuletzt ist ein Arbeiten vor Ort auch deshalb für uns wichtig, weil diese Halle etwas Besonderes für uns ist und wir uns in der Tabakfabrik positionieren wollen – und nicht nur den Raum als beliebigen Raum behandeln wollen. Insgesamt gesehen … sagen wir es mal so: Für RedSapata ist noch viel zu tun. Das betrifft die Bewältigung des Raumes hinsichtlich der Funktionen, die RedSapata erfüllen will: Es geht da zum Beispiel um Raumabteilungen, was Sicht- und Schallschutz anbelangt, um Spiegel, Büro, Garderobe und eine teilweise (Neu-)Konzeptionierung, was den Parallelbetrieb von Proberaum und Kursprogramm anbelangt. Der neue Raum hat als Halle hier ganz klar andere Gesetzmäßigkeiten und Bedingungen als unser vorheriges Domizil. Es geht aber auch um Eingangsbereiche, Schilder, Schlüssel, Postkästen und so simple Erkenntnisse, dass es schon was ausmacht, ob man, je nach Wetterlage, mit trockenen oder nassen Schuhen in die Halle kommt. Das klingt vielleicht banal, tatsächlich gibt es aber eine Vielzahl solcher Kleinigkeiten, und man merkt augenscheinlich, dass der Komplex sich erst langsam auf seine neue Bespielung einrichten muss. … Dann geht es natürlich um die großen Sachen wie Betriebskosten und zumindest mittelfristige Planungssicherheit, denn was mit dieser Halle langfristig passiert, ist auch noch nicht klar. Insgesamt scheint die Schwierigkeit zu sein, bei jeder Kleinigkeit das große Ganze mitdenken zu müssen – und umgekehrt. Dementsprechend viel gibt es auch für die Tabakfabrik zu tun – ganz viel sogar, denn die Tabakfabrik steht ja in Wahrheit noch am Anfang.
TD: Was erwartest du dir persönlich von der Tabakfabrik? Wohin soll sie sich entwickeln?
TB: Ich persönlich möchte anmerken, dass das Arbeiten vor Ort, in unserem Fall in dieser leeren, quasi „rohen“ Lagerhalle, wirklich großartig ist – speziell wegen einer Arbeitsstimmung, die erst mal nichts spezielles vorgibt … das hat ganz eindeutig was sehr Positives: Du gehst rein und fängst mit deinen Dingen an, einfach weil die Atmosphäre gut ist. Ich persönlich hatte noch nie einen so guten Proberaum zur Verfügung wie diese, denn das Areal steht zum Einen für sich, und so unfertig es auch ist, steht es gleichzeitig den neuen NutzerInnen offen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutet das sicherlich auch: improvisieren und sich dort mit seinen Dingen einzufinden. Das heißt, die Gegebenheiten kennenzulernen, zu erproben und mit den eigenen Dingen auch in einen gemeinsamen Prozess zu gehen. Auch das kennzeichnet für mich eine gute Arbeitsstimmung. So da hineinzugehen, um zu arbeiten, macht wirklich Sinn, in eine Umgebung, die nicht kaputtrenoviert oder totsaniert, überreguliert, eventmäßig oder generalstabsmäßig zweckzugeführt wurde, oder was auch immer in diese Richtung an Negativem gemacht werden kann. Diese Stimmung, diese „Atmosphäre“ im Sinne eines kulturell und künstlerisch relevanten Produktionsortes für Linz, erwarte ich mir, im Großen und Ganzen zu erhalten. Ich erwarte mir, dass hier, zumindest weitgehend, Autonomie möglich ist. Ich erwarte mir natürlich auch, dass der Ort für andere NutzerInnen geöffnet wird, die speziell diese Qualitäten zu schätzen wissen. Ob da Wirtschaft oder Kommerz auch stattfindet, um die Schlagwörter zu strapazieren, ist für mich dann zweitrangig. Es geht um Offenheit, die möglich sein MUSS. Vielleicht geht es sogar um Gegensätzlichkeiten. Im Sinne des oben genannten – und auch im Sinne eines gemeinsamen Prozesses. Allerdings ist es sicher dringend notwendig, die Grenze zwischen Offenheit und Beliebigkeit klar zu definieren und transparent zu machen, in jeder Beziehung diese Dinge klar zu kommunizieren. Oder zu erproben. Es kann ja nichts besseres passieren, als sich mit einem Projekt oder auch einer Institution oder auch mit einem Areal wie der Tabakfabrik, natürlich in einer klar definierten Weise, in einer „permanenten Erprobung“ sich zu befinden … ich will mich hier sinngemäß auf das Medienprojekt spotsZ beziehen, das ich mit Kolleginnen gemacht habe und das wir auch, einer herkömmlichen Blattlinie entgegengesetzt, in einer bewussten Offenheit gehalten haben, als „dauerhaft angelegtes Bedarfsexperiment“, und das als solches keine sinnlosen Grenzen zwischen Institutionen und „freier Szene“ gezogen hat, das darüber hinaus eine Querfinanzierung von „großen Häusern“ und „kleinen Institutionen“ betrieben hat und sich auch sonst zu einem Großteil selbst finanziert hat. Dies nur als Beispiel, wenngleich auch als viel kleineres.
TD: Wo siehst du die größten Herausforderungen bei der Entwicklung des Areals?
TB: Drei Punkte: Man kann sich ja viel ausdenken und viele Visionen spinnen – klar, die erste Herausforderung: Wo kommt das Geld für die Finanzierung her. Ich sage das als Vorstandsmitgliedes eines Vereins, der definitiv zu wenig Geld hat, um nur ansatzweise mit irgendwelchen großen kommerziellen Playern mitzuhalten. Insofern wird es im Sinne einer kulturell diversen Nutzung des Areals auch darum gehen, ausschließlich wirtschaftliche Dominanzen zu vermeiden und Kunst und Kultur hier fix zu verankern. Das braucht ein klares und nachhaltiges Bekenntnis, das sich auch in Mitteln ausdrückt. … Der zweite Punkt: Ich denke, dass es generell für einen offenen Prozess, der jedoch nicht beliebig werden sollte, sicherlich zunehmend notwendig sein wird, dass mehrere Köpfe mitdenken. Ich denke, dass es sinnvoll wäre, hier gleich mal beratende Leutchens zu installieren oder ähnliches – nicht um irgendeine Position zu schmälern, sondern im Gegenteil deshalb, weil das alles tatsächlich eine enorme Herausforderung ist. … Nächster Punkt: Wenn die Tabakfabrik so etwas wie eine Stadt in der Stadt werden soll, oder irgendein anderes Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen will, dann sollte die Tabakfabrik oder diese Tabakfabrik-Stadt auf jeden Fall was anderes zu bieten haben, als die reguläre Stadt draußen. Das könnten im Prinzip Segways oder anderer motorisierter Funverkehr sein, wie ich beim ersten internen Treffen letztens erfahren habe, dass es das geben soll. Das könnte aber auch ganz was anderes sein – wieso nicht zum Beispiel Fahrräder oder auch überhaupt generell gesehen ganz andere Konzepte von Stadt-Ökonomien einbringen, als Kunstprojekte, als zukunftsweisende Forschungsprojekte, als Vermittlungsprojekte oder ähnliches. Es gäbe hier einige Leute in der Stadt, die so was schon auf die eine oder andere Art verfolgen und die sicher ansprechbar wären. Das wäre auch eine Arbeitsatmosphäre, die insgesamt anregend ist: Das ganz Andere zu denken – bzw. das Andere überhaupt zu denken zu versuchen, das wär doch eine Herausforderung, die diese Bezeichnung wert wäre. Und ich habe so die Vermutung, dass was anderes hier gar nicht möglich ist, denn sonst hätte es nicht schon so lange Stillstand gegeben. Oder etwa nicht? … Und zum Abschluss, auch noch was ganz anderes: Anbetracht dessen, dass nun im leitenden Kernteam der Tabakfabrik nur Männer sitzen, scheint es eine Herausforderung zu sein, hier eine Frau in eine Position zu bringen, oder gar mehrere. Das ist anscheinend Herausforderung bei der Entwicklung eines jeden Areals.
TD: Danke für das Gespräch!
Mehr Informationen: http://www.redsapata.com
Aktuelle Projekte, die bei RedSapata geprobt werden: Transitheart Productions, Tanja Brandmayr & Doris Jungbauer