Es braucht klare Leitlinien, um ein Vertrauensverhältnis zwischen allen AkteurInnen in der Tabakfabrik aufzubauen. Dies betrifft die MieterInnen, die politischen VertreterInnen und die Verwaltung in Form der Tabakfabrik Linz Entwicklungs- und BetriebsgmbH und ihre Funktion als Schnittstelle zu weiteren Verwaltungsebene der Stadt Linz.
Die Tabakfabrik hat sich vier Leitlinien verschrieben: Partizipation, Transparenz, Offenheit und Tragfähigkeit.
Partizipation
Mit dem Kauf der Linzer Tabakfabrik hat die öffentliche Hand eine Investition in die Zukunft getätigt. Die Spekulationsspirale wurde durchbrochen und ein ganzer Stadtteil für die Gesellschaft nutzbar gemacht. Explizit werden aber nicht nur KünstlerInnen, KulturarbeiterInnen und Kreativwirtschaftende die Tabakfabrik besiedeln. Auch sozial Tätige, Wirtschafts- und Gewerbetreibende, HandwerkerInnen und im Bildungs- und Wissenschaftsbereich Beschäftigte ziehen ein. Verdichtete Diversität, die neue Formen des menschlichen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens entwickelt.
Einen physischen wie sozialen Raum, einen Ort der Arbeit, der Inspiration, des Lernens, der Begegnung, der Möglichkeiten und der konkreten Utopien gilt es nun gemeinsam zu entwickeln. Es gilt die Tabakfabrik als soziale Plastik zu leben. Dabei verantwortet die öffentliche Hand alle Aspekte der Projektentwicklung, Finanzierung, Vermietung und Sanierung des Areals.
Um das Areal zu entwickeln braucht es Personen mit einem breiten Spektrum an Kompetenzen und Erfahrungen, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Disziplinen Aspekte der Stadtentwicklung, Architektur, Organisationsstrukturierung, Kulturentwicklung, etc. analysieren und diskutieren. Es braucht ein hochmotiviertes Team aus den verschiedensten Sparten, das strukturiert den Entwicklungsprozess des Areals gestalten und abwickeln kann.
Die Entwicklung der neuen Tabakfabrik begann aber nicht erst 2009 mit dem Kauf des Areals, sondern schon davor durch intensive Diskussionen verschiedenster AkteurInnen. Eine umsichtige Entwicklung reflektiert daher auch auf die bereits bestehenden Überlegungen und Diskussionsergebnisse. Dies betrifft beispielsweise die im Vorfeld des Kaufes im Auftrag der Stadt erstellte Vorstudie zur kulturellen Nutzung des Areals der Austria Tabak Werke, die Empfehlungspapiere der freien Szene und des Stadtkulturbeirats, der alte und der gerade entstehende neue Kulturentwicklungsplan oder der Europan-Wettbewerb. In diesen Papieren und Plänen wurden schon viele Ideen formuliert, Forderungen artikuliert und auf infrastrukturelle Herausforderungen der Stadt aufmerksam gemacht, zu deren Lösung die Tabakfabrik beitragen kann.
Transparenz
Um Menschen für die Tabakfabrik zu begeistern, braucht es Informationen und transparente Kommunikationsprozesse. Transparenz schafft Vertrauen, transparente Vorgehensweisen und Entscheidungsstrukturen treten Vorurteilen entgegen und entkräften Gerüchte. Transparenz ermuntert auch zur Mitarbeit und zum eigenen Engagement, beides wichtige Faktoren in der Entwicklung des Areals.
Die klassische PR-Arbeit umfasst direkte Medienkontakte sowie Kooperationen mit Medien, die sich in ihrer Ausrichtung besonders auf die vier Säulen der Tabakfabrik beziehen wie die öffentlich-rechtlichen Sender Ö1 und FM4, die freien Radio- und Fernsehsender und private Anbieter wie zum Beispiel ServusTV. Die Homepage dient als zentrale Informationsstelle für alle, der Blog bietet Einblicke in das tägliche Leben und die Socialmedia-Kanäle sind eine niederschwellige Anlaufstelle und direkte Kommunikationsplattform. Bisher gesammelten Informationen zur Tabakfabrik werden in einem Wiki freizugänglich gemacht. Die Verschriftlichung dient dem Wissenstransfer und egalisiert hierarchisch bedingte Wissensunterschiede.
Offenheit
Die Tabakfabrik hält Freiräume offen. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung der Tabakfabrik und der Verschränkung ihrer vier Säulen entwickelt sie seismographische Kompetenzen, um flexibel auf neue gesellschaftliche Entwicklungen reagieren zu können. Die Tabakfabrik kann nicht im herkömmlichen Sinn fertig entwickelt werden, da es immer Freiräume für neue Experimente braucht und niemand vorhersehen kann, wie unsere Welt in 30 Jahren aussieht. Schon Behrens hat mit diesem Argument bei der Planung der Tabakfabrik bewusst auf offene, große und damit leicht adaptierbare Räume gesetzt.
Diesen Gedanken gilt es nun von der industriellen Logik auf die neuen Nutzungsabsichten umzulegen und weiter zu entwickeln. Insbesondere ist hier auch ein Augenmerk darauf zu legen, im Sinne einer gerechten Gesellschaft die Besiedlungspolitik in Teilbereichen so zu gestalten, dass auch finanzschwächere Initiativen dauerhaft einen Platz im Areal erhalten. Dies entspricht dem Gedanken der Offenheit in gesellschaftspolitischer Hinsicht.
Tragfähigkeit
Um die vielfältigen und qualitätsvollen Nutzungsmöglichkeiten für das Areal auch langfristig zu gewährleisten, bedarf es einer soliden wirtschaftlichen Basis. Die Nutzungs- bzw. Vermietungsstruktur ist als wirtschaftlich ausgeglichenes System, welches alle gebäude- und betriebsspezifischen Einfluss- und Kostenfaktoren berücksichtigt, zu konzipieren. Die Vermietungsstruktur unterliegt diesen Rahmenbedingungen, differenziert nach unterschiedlichen Qualitätskategorien der Räumlichkeiten und Flächen und basiert auf nachvollziehbaren Kriterien. Diese berücksichtigen aber auch das kulturelle und symbolische Kapital, welches von NutzerInnen eingebracht wird und der Tabakfabrik selbst sowie den anderen MieterInnen zu Gute kommt.
Fotos: a_kep